Interview mit Simon Busch
Warum gerade Indien? Was fasziniert Sie so an diesem Land?
Ich war ja schon früher mehrmals dort, und jedes Mal wurde mein Wunsch, oder besser mein Bedürfnis stärker, einen Film darüber zu machen. Viel von dem Wissen, das uns heute selbstverständlich ist, stammt ursprünglich aus Indien, die Zahl Null etwa. Auch etliche philosophische Ideen und viele Kunstformen wurden dort zum ersten Mal entwickelt. Was in Indien geschaffen wurde – mathematisch, künstlerisch und philosophisch –, ist der griechischen Klassik absolut ebenbürtig. Wenn wir nach Indien fahren, gehen wir in gewisser Hinsicht zurück zu unseren Wurzeln.
Das meinen Sie ja wohl in einem spirituellen Sinn?
Ja, sicher. Indien ist gewissermaßen das Heimatland der Spiritualität. Auch der Buddhismus kommt aus Indien, ebenso wie die Idee der mehrfachen Wiedergeburt. Tantra, Ayurweda, Meditation und Yoga stammen ebenfalls von dort. Es ist ganz viel, was uns Indien gegeben hat.
War es denn einfach, in Indien zu drehen?
Überhaupt nicht. Schon die Vorbereitung gestaltete sich als extrem schwierig. Wir hatten uns für ein sehr kleines Team entschieden, um stets flexibel zu sein. Eine offizielle Drehgenehmigung brauchen Sie aber trotzdem. Die zu erhalten, war gar nicht so einfach, die Bürokratie ist schon bemerkenswert. Jedes Kabel und jede Batterie waren aufzulisten, und wir mussten einen minutiösen Drehplan einreichen, weil die Genehmigungen für die einzelnen Drehorte auf den Tag genau erteilt wurden. Schlechtes Wetter oder organisatorische Verzögerungen durften einfach nicht vorkommen.
Aber dann hat es offenbar doch geklappt?
Vor Ort mussten wir feststellen, dass uns die offizielle Drehgenehmigung aus Delhi gar nichts nutzte, weil für jeden Drehort lokale Behörden zuständig waren, die sich auch nicht reinreden ließen. Jeder Drehtag war also eine Zitterpartie, und häufig drehten wir ganz ohne Genehmigung oder mit Filmkameras, die wir als Fotoapparate tarnten. Insbesondere die RED Cam wurde oft für eine Spiegelreflexkamera gehalten.
Wenn man den Film sieht, so haben Sie ja mit einem ziemlichen Aufwand gedreht?
Das kann man wohl sagen. Mehrere 3D-Kameras hatten wir dabei, einen Oktocopter – also eine Kameradrohne – für die Flugaufnahmen, eine Steadicam und eine computergesteuerte Kameraschiene, etliche Stative und noch viel mehr. Diese Technik brauchen Sie einfach, wenn Sie die hohe Qualität erreichen wollen, die uns vorschwebte. Mit dieser Ausrüstung wurden wir in Indien allerdings in kein Flugzeug gelassen, die kleinen Maschinen sind gar nicht dafür ausgelegt. Deshalb musste alles per Auto über Land transportiert werden, was natürlich sehr viel Zeit in Anspruch nahm.
Wie kamen denn die Aufnahmen der Tiger in freier Wildbahn zustande?
Das war reines Glück. Mehrere Tage lang waren wir im Rhantambore Nationalpark mit sehr erfahrenen Local Guides auf der Pirsch gewesen, leider erfolglos. Am letzten Tag filmten wir in den Ruinen eines alten Forts. Plötzlich kreuzten vier erwachsene Tiger unseren Weg. Wir konnten schnell reagieren. Es war ein erhabener Anblick, wenn auch nicht ungefährlich, da es in den letzten Monaten dort einige Angriffe von Leoparden und Tigern gegeben hatte.
Was war denn die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten?
Eindeutig die Kumbh Mela. Für mich ist sie der Höhepunkt des Films, sie steht nicht zufällig am Schluss. 35 Millionen Menschen, also knapp die halbe Einwohnerzahl der gesamten Bundesrepublik, auf nur acht Quadratkilometern – das ist einfach unvorstellbar. Ein Vorankommen mit dem Auto oder mit dem Tuktuk war nicht möglich. Wir mussten uns zu Fuß durchkämpfen. Näher als 100 Meter durften wir uns den Badenden trotz Pressepass und Drehgenehmigung nicht nähern.
Wie haben Sie es trotzdem geschafft, diese beeindruckenden Bilder einzufangen?
Fünfzigtausend Polizisten und Soldaten überwachten das Gelände, auch, um eine Massenpanik zu verhindern. Mit denen lieferten wir uns ein Katz-und-Maus-Spiel. Wir wurden immer wieder erwischt, mussten in der Menge untertauchen, um dann an einer anderen Stelle weiter zu machen. Um ganz dicht an die Badenden heranzukommen, hatten wir ein kleines Boot gemietet, das uns noch vor Sonnenaufgang im flachen Wasser des Flusses, an einer heiligen Badestelle absetzte. Dort verbrachten wir magische Stunden bis zum Mittag, in Unterwäsche und mit unseren Kameras, mitten zwischen den Gläubigen.
Fühlten sich die Pilger nicht gestört?
Nein, im Gegenteil. Sie waren geradezu euphorisch und teilten diesen wahrscheinlich wichtigsten Tag in ihrem Leben, dem sie viele Jahre entgegen gefiebert hatten, gerne mit uns. Sie ließen uns wirklich an ihrem Glück teilhaben, und irgendwie übertrug sich dieses Glücksgefühl auch auf uns. Ich hoffe, dass man dies den Bildern anmerkt.
Und die Luftaufnahmen? Wie sind die Ihnen gelungen?
Wir waren im Besitz einer Flugdrohne, die mit einer 4K RED Cam bestückt war. Allerdings erhielten wir keine Aufstiegsgenehmigung, die Furcht vor Anschlägen war zu groß. Die Drohne hätte schließlich auch für eine Waffe gehalten werden können, und überall waren Scharfschützen postiert. Also traten wir die Flucht nach vorn an. Wir kämpften uns zu einer Militärstation durch, zeigten die generelle Drehgenehmigung und baten um Unterstützung, um die neugierige Menge von dem Fluggerät fernzuhalten. Zum Glück waren die Soldaten sehr an diesem ungewöhnlichen technischen Gerät interessiert und wollten sehen, wie es funktioniert. Also bildeten sie einen Kreis um uns, hielten die Masse auf Abstand und ermöglichten uns so mehrere Flüge über den Ganges.
Das hört sich ja alles sehr abenteuerlich an. Würden Sie das Ganze, im Rückblick, noch einmal auf sich nehmen?
Auf jeden Fall. Die Dreharbeiten waren eine unglaubliche Erfahrung – anstrengend, intensiv, aber auch ungemein bereichernd.
Wie wurde der Film eigentlich finanziert?
Allein aus Eigenmitteln. Wir hatten keinerlei Filmförderung oder Fernsehbeteiligung. Einzig beim Transport des Equipments nach Indien kam uns der Marketing-Manager der Fluggesellschaft entgegen. Ich denke, die Tatsache, dass wir einen hohen Betrag eigenen Geldes in die Produktion gesteckt haben, beweist, dass der Film mit viel Herzblut gedreht worden ist.